
Betthupferl – Folge #19
26. Mai 2025Betthupferl – Folge #20
Von Catherine Faber
Kälte. Stein. Metall. Schmerz. Sebastian blinzelt.
Dunkelheit. Seine Arme sind über dem Kopf ausgestreckt, die Gelenke schmerzen. Etwas Kaltes liegt um seine Handgelenke – Ketten. Beim Versuch, sich zu bewegen, rasselt es blechern durch die Finsternis.
„Aua. Meine Schulter. Zefix…“, murmelt er.
„Sebastian.“ Die Stimme hallt dumpf durch den Raum – Snørre. Sebastian reißt die Augen auf. „Snørre?! Was… Wo bin ich?! Wo bist du?“
Die Kette vibriert leicht, als hätte sie Schluckauf. „Ich…bin hier, in der Kette. Herrje, das tut mir alles sehr leid. Das hätte anders laufen sollen.“
„Ach so?!“, faucht Sebastian. „Ich wache hier an einen Felsen gekettet auf – und du findest, es hätte anders laufen sollen? Na was du verdammt nochmal nicht sagst!“
Snørre seufzt. „Ja, ja. Ich weiß. Ich hab es vermasselt. Aber jetzt musst du dich erstmal erinnern. Du kennst diesen Ort. Ich hab dir vor ein paar Wochen erklärt… “
Sebastian starrt in die Dunkelheit. Langsam, sehr langsam gewöhnen sich seine Augen an das spärliche Licht, das durch eine Felsspalte dringt. Die Höhle ist recht hoch. Und kalt und greislig feucht. Überall um ihn herum nur Fels, Steine – und Dreck. Ein modriger Geruch liegt in der Luft.
„Du meinst diese irrwitzige Geschichte von den eingesperrten Seelenwächtern und so? Diese Geschichte von Randolf dem Weisen? Wie war das nochmal? Weil die Seelenwächter weggesperrt sind, gibt es zu viele Geister auf der Welt. Und es werden täglich mehr?” Die Kette nickt nur als Antwort – können Ketten nicken?
„Ich bin im Verlies?“, flüstert Sebastian, während es ihm dämmert.
„Ja. Wir sind im alten Kessel der Wächter. Tief unter dem Wendelstein. Dank deiner Erinnerung haben wir diesen Ort gefunden.“
„Und was soll ich jetzt hier?!“, presst Sebastian hervor.
„Naja, du befreist die Seelenwächter und dann geht’s ab nach Hause zu Karin und diesen Winzlingen“, flötet Snørre. „Und ich komm natürlich mit, ich bin immerhin dein persönlicher Plappergeist – und du würdest lügen, wenn du sagen würdest, dass du mich nicht in dein kleines, süßes Menschen-Herzlein geschlossen hast!“
„Ich bin kein Held, der irgendwelche Seelenwächter befreien kann, Snørre. Ich bin ein unfassbar verplanter Typ, der gestern eine Tube Senf in der Jackentasche entdeckt hat, obwohl er eigentlich einen Proteinriegel einpacken wollte.“
„Du bist auch nicht hier, um heldenhaft zu kämpfen, Sebastian. Du bist hier, um zuzuhören.“
„Zuhören?!“ Sebastian lacht bitter auf. „Ich hänge an einem Felsen wie ein Schinken! Und du willst, dass ich zuhöre?!“
In diesem Moment vibriert der Fels vor ihm. Ein tiefes Grollen hallt durch die Höhle und wie aus dem Nichts formt sich langsam eine Gestalt. Ein riesiger Schatten, umwabert von eisigem Nebel und mit Augen wie glühende Kohlen. Eine Stimme, so rau wie Schleifpapier, beginnt zu sprechen:
„Gut, der Plappergeist hat dich gebracht. Dann sei willkommen, Sebastian Aurelius Brettschneider… Erbe der Spiegelseele. Träger des Schlüsselwortes. Letzter der Hörenden.“
Sebastian schließt die Augen.
Erbe von wem? Spiegel–was? Du meine Güte, in was hab ich mich da schon wieder hinein manövriert?
Sebastian rutscht nervös auf dem harten Boden hin und her, während die Stimme immer näher kommt. „Wer bist du?“ ruft er den leuchtenden Augen in der Dunkelheit zu.
„Mein Name ist Custarion. Ich bin der unsterbliche Wächter über das Verlies. Vor Jahrhunderten hat man mich damit beauftragt, niemanden ein und aus zu lassen – bis zu dem Zeitpunkt, bis der letzte Erbe eintreffen wird. Und hier bist du. Denke ich zumindest. Einen letzten Beweis musst du mir noch liefern, Träger des Schlüsselwortes.“
„Und der wäre?“ fragt Sebastian verunsichert.
„Du wirst in den Spiegel sehen. Du wirst seinen Worten lauschen. Und dann wirst du mir das Schlüsselwort nennen. Ist es korrekt, so lasse ich die Seelenwächter frei. Ist es falsch, bleibst du für immer hier.“
Sebastian schluckt. Das muss ein Traum sein. Oder er liegt im Koma. Vielleicht hat er sich vor ein paar Wochen ganz fest den Kopf gestoßen und liegt seitdem in einem Krankenhausbett, während sein Verstand Achterbahn fährt.
Eingesperrte Seelenwächter in einem Verlies unter dem Wendelstein. Ist klar. Ein Schattenmonster, das ein Passwort von ihm hören will, das ihm ein Spiegel verraten soll? Eh klar. Koma. Eindeutig.