
No. 16 – das Betthupferl aus Folge #16
17. April 2025No. 17 - Das Betthupferl aus Folge #17
Von Christian Topel
Andere machen Sudoku oder Kreuzworträtsel, ich erfinde dumme Ausreden, denkt Sebastian, und fragt sich in der gleichen Sekunde, ob ein eingerostetes Hirn oder seinetwegen gleich eine ausgewachsene Grenzdebilität nicht tausendmal angenehmer wäre als diese Tortur.
So richtig geglaubt hat ihm Karin die Story mit dem Improvisationstheater nicht, glaubt er; dass er einfach mal spontan seinem theatralischen Talent hatte freien Lauf lassen wollen, das Kind in sich quasi von der Leine lassen, indem er mit ihr eine Art loriotschen Sketch durchspielte, mit Huhn statt Nudel.
Sie hatte die Sache zwar zunächst auf sich beruhen lassen, aber ihm wirklich abgenommen? Wohl kaum, sonst hätte sie zuhause, nachdem sie die Babysitterin verabschiedet und die kleinen Ganoven ins Bett gesteckt hatten, nicht darauf bestanden, dass er sich mal durchchecken lassen solle.
“Hey, ich bin topfit”, hatte Sebastian gegrunzt, seinen Bauch eingezogen, den Bizeps angespannt und Karins süffisante Miene mit geradezu schwarzeneggerischem Gleichmut ignoriert.
“Ich spreche von deiner Birne, nicht von deinem Body”, hatte sie geantwortet, ihm ein Gute-Nacht-Küsschen auf die Stirn gehaucht und das Licht gelöscht. Während sie ihm sanft das eingebildete Sixpack streichelte, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, dass Männern in seinem Alter eine Therapie nicht schaden könne – tja, und da brauchte sie sich wirklich nicht zu wundern, dass sich bei ihm nichts regen wollte. So ist das halt, bei Männern in seinem Alter, pfff.
Egal wie alt: Wenn ein Mann sein Leben liebt, widerspricht Mann der Gattin nicht! Also hatte er versprochen, einen Termin zu vereinbaren – und auch gleich einen bekommen. Hatte er jedenfalls behauptet. Und war kurzzeitig verwirrt gewesen: Was sagte das aus, über seine Ehefrau und ihn, dass Karin ihm eher glaubte, binnen weniger Tage einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen, als ein aufgehender Stern des Improvisationstheaters zu sein?
Egal. Denn seinen erfundenen Arzttermin konnte er nun nutzen, um sich vorzubereiten. Früher oder später würde er mit dem vermaledeiten Snorre den Wendelstein besteigen müssen, und da wollte er gut gerüstet sein.
“Guten Tag, mein Name ist Brettschneider, ich kaufe hier ein”, hatte er dem erstbesten Verkäufer des hiesigen Sportfachhandels ins Gesicht gezwitschert. Aber der Banause war offensichtlich ebenfalls weder mit dem Werk von Loriot noch mit der befreienden Wirkung des Improvisationstheaters vertraut, und so hatte Sebastian nur einen mitleidigen Blick und die trockene Antwort: “Servus, ich bin der Flo, ich arbeite hier” geerntet.
Jetzt stehen sie in der Bergsportabteilung und Sebastian deckt sich mit sämtlichen Utensilien ein, die ein vernünftiger Wandersmann laut Fachmann Flo für die persönliche Erstbesteigung des Wendelsteins benötigt:
Funktionswäsche für drüber und drunter, (schneidig schaut er aus, findet Sebastian, als er sich im Spiegel begutachtet)
Rucksack, 30 l, mit integrierter Powerbank und Trinksystem.
Erste-Hilfe-Set
Stirnlampe,
Brotzeitbox,
Zwei Trinkflaschen – eine aus Metall, die andere aus Silikon
Carbon-Trekkingstöcke,
Bergschuhe (knöchelhoch, isolierend, atmungsaktiv, wasserdicht und natürlich steigeisentauglich.)
Sebastian stapft stolz über die aus Holz und Geröll angelegte Teststrecke, der Rucksack sitzt wie eine eins, die Stecken bieten Stabilität, es fehlt nicht viel und er improvisiert einen authentischen Jodler, so alpinistisch fühlt er sich.
Erst als Flo ihm einen Biwaksack in die Hand drückt, wird Sebastian stutzig.
“Moment, was soll ich denn damit?”, fragt er.
“Ja, du bist lustig”, sagt Flo, “wenn du unverhofft da oben übernachten musst, dann willst du doch vor Wind und Wetter geschützt sein, oder nicht?”
“Ja, schon”, sagt Sebastian. “Aber der Wendelstein ist ja nicht direkt eine Hochtour. Ich mein, da fährt ja sogar eine Bahn rauf!”
“Ja sag amal, bist du ein Preiß?”, fragt Flo.
“N, N, Nein,” stottert Sebastian, “ein waschechter Bayer, Ehrenwort!”
“Und hast zwei gsunde Haxn?”
Sebastian blickt an sich herunter. Nachdenklich begutachtet er die grellorange Funktionshose, die sündhaft teuren Goretex-Stiefel. Er nickt.
“Dann gehst gefälligst zu Fuß den Berg hoch, du stinkfauler, lahmarschiger Flachlandindianer, hamma uns verstanden!?”
Sebastian nickt noch einmal. Er entledigt sich sämtlicher Ausrüstungsgegenstände, schiebt sie unter ein Regal und zeigt "Flo" den Stinkefinger. In dessen Gesicht sitzt ein breites Grinsen.
Sebastian schüttelt den Kopf. Nur die Bergschuh trägt er zur Kasse.
“Eine gute Wahl”, flötet die Verkäuferin.
“Danke”, sagt Sebastian.
“Unser Lawinenschutzsystem wäre gerade im Angebot”, sagt die Dame.
“Ach leck mich doch, Snorre”, sagt Sebastian und klatscht seine Bankkarte auf den Tresen. Wäre ich lieber zum Psychiater gegangen, denkt er.